Macht Klima Geschichte? Ja!

20. Dezember 2022

Am 14. November hielt der Klimaforscher Dr. Stephan Matthiesen, zugeschaltet aus Edinburgh,  einen Online-Vortrag im W-Seminar „Macht Klima Geschichte?“.

Zu Beginn berichtete Dr. Matthiesen, wie beschwerlich das Forscherleben in einer Feldstation im Norden Skandinaviens fernab jeglicher Zivilisation sein kann - z.B. wenn man auf sich allein gestellt mitten in der Wildnis zwei Wochen lang Kabel reparieren muss, die Lemminge zuvor durchgenagt hatten.

Das W-Seminar beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern geschichtliche Entwicklungen mit  inwiefern klimatische Veränderungen in Zusammenhang stehen. Diese Fragestellung ist in der historischen Forschung sehr modern, schreiten doch die Erkenntnisse der Klimaforschung über Klimaverhältnisse der Vergangenheit rapide voran.

Zu welch spannenden Ergebnissen das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen wie Klimaforschung, Geschichtswissenschaft und Archäologie führen können, zeigte Dr. Matthiesen dann an einem Beispiel auf:  540 n. Chr. brach der Vulkan Ilopango im heutigen El Salvador aus, mit weitreichenden Folgen; selbst spätantike Quellen aus Europa wie Prokopius von Caesarea berichten über eine monatelange Verdunklung.

Prokopios von Caesarea schreibt: „Und in diesem Jahr kam es zum schrecklichsten Omen. Denn die Sonne gab ihr Licht ohne Helligkeit, wie der Mond, das ganze Jahr über, und sie schien wie bei einer Sonnenfinsternis, denn die Strahlen waren nicht klar, wie man es gewohnt ist. Und ab dieser Zeit waren die Menschen weder frei von Krieg noch Seuchen noch anderen Dingen, die zum Tod führen.“

Diese Augenzeugenberichte werden durch die moderne Klimaforschung tatsächlich bestätigt. Jahresringe von Baumstämmen aus dieser Zeit zeigen, Bäume in dieser Zeit kaum gewachsen sind. Auch Daten aus grönländischen Eisbohrkernen weisen auf eine dauerhafte Abkühlung des Klimas um 540 n. Chr. hin.

Dies hatte weitreichende Folgen für Getreidewachstum in den Sommermonaten und damit auch für die Nahrungsmittelversorgung der dort ansässigen Menschen. Archäologische Untersuchungen in Skandinavien belegen etwa, dass im 6. Jahrhundert n. Chr. viele Siedlungen aufgegeben wurden und man von einem Bevölkerungsrückgang von bis zu 50% in diesem Raum ausgehen kann. Einige Forscher gehen sogar so weit, dass sie in den Legenden vom „Fimbulwinter“ (einer strengen Eiszeit mit klirrendem Frost und eisigen Stürmen) in den nordischen Sagen eine Reminiszenz an diese Klimaveränderungen erkennen wollen. Allerdings wies Dr. Matthiesen darauf hin, dass diese Sagen erst 600-700 Jahre später niedergeschrieben wurden und kalte Winter nicht untypisch in Skandinavien sind. Vorsicht vor allzu schnellen Schlussfolgerungen ist also in jedem Fall angebracht!

 

Eines steht jedoch fest - im Vergleich zu klimatischen Schwankungen in der Vergangenheit sind die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels heute viel größer, und zudem laufen diese Auswirkungen in einer sehr viel kürzeren Zeitspanne ab. Wir müssen also handeln, da wir noch weniger als die Menschen in vergangenen Epochen Zeit haben werden, um uns an diese raschen Veränderungen anzupassen.

 

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Dr. Matthiesen für diesen tollen Vortrag und die vielfältigen Anregungen für die Seminararbeiten unserer Schülerinnen und Schüler!

 

F. Haigermoser